Alte Maße

Die alte Feuerwerkerei soll mit neuem Leben erfüllt werden. Dazu ist ein Buch über die Entwicklung der Artilleriezünder gemacht.

Alte Maße

Die alte Feuerwerkerei soll mit neuem Leben erfüllt werden. Dazu ist ein Buch über die Entwicklung der Artilleriezünder gemacht. Um genau zu sein, ein Buch über die alte Artillerie mit Schwerpunkt auf die Zünderentwicklung bis 1900. Die jahrelange Suche in den Staatsarchiven Europas war zwar mühselig, zuletzt aber erfolgreich.
Das Buch hat 396 Seiten. Nach 1900 schwillt die Menge der Geschosse und ihrer Zünder gewaltig an und erfordert zu deren Abbildung ein komplexes Werk. Im 19. Jahrhundert, als die Techniker begannen, ihre  Entwicklungen mit wissenschaftlicher Genauigkeit zu beschreiben, haben die Genieffiziere, voller Stolz auf das oft mit eigenen Mitteln Geschaffene, ihre Arbeiten einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Es gab Zeitschriften, Monats-hefte, Jahresbücher, in denen detailliert nachzulesen war, welcher Offizier kürzlich ein Geschoß verbessert, ein Rohr stabilisiert, eine Lafette verstärkt und, die eigentliche Schwierigkeit, zur Anwendung gebracht hatte.

Übertriebene Furcht vor Industriespionage scheinen die Herren nicht gekannt zu haben. So viel Freigebigkeit hat sich bitter gerächt: Nachdem die deutschen Ingenieure die Talsperren in Nordrhein-Westfalen um 1912 fertiggestellt hatten, veröffentlichten sie -voller Stolz auf diese großartige Ingenieurleistung- die Konstruktionsdaten in den Fachzeitschriften der Welt. 1930 (!) studierte der englische Professor Barnard Wallis diese Zeitschriften und entwickelte dann die Großbomben “Tallboy” und “Grand Slam”, um eben jene Talsperren in Nordrhein-Westfalen zu zerstören. Im 19. Jahrhundert tauschten die Offiziere der europäischen Nationen ihre Erfahrungen aus, die Regierungen standen dem nicht nach: 1853 schenkte Preußen an die russische Artillerie 300 Exemplare des gerade eben von Wilhelm Ritter von Breithaupt erfundenen tempierbaren Zeitzünders, erst 1852 auf dem Schießplatz der k.u.k-Monarchie bei der Wiener Neustadt funktionsfähig gemacht… ein Vorgang, den wir heute für undenkbar halten!

Die besonderen Schwierigkeiten jener Zeit lagen in den unterschiedlichen Maßsystemen, die oft von Ort zu Ort wechselten und kaum Vergleiche miteinander zuließen. Ihnen soll hier endlich einmal der gebührende Platz eingeräumt werden… entspre-
chend ihrer Bedeutung.

Eine kurze Geschichte sagt uns, wie man in England das beharrliche Festhalten an
Fuß und Zoll zu begründen wußte:

Der Pyramidenzoll

Mit Beginn des 19. Jahrhunderts eroberten die Briten sich das Empire, ein Weltreich, zu dem später auch das »Protektorat» Ägypten gehörte. Mit der Eroberung der fernen Länder des Orients und in Asien begann auch, fasziniert von den dortigen Altertümern, das Forschen und Feilschen, Graben und Grabschen, Rennen und Sprengen (z.B. innerhalb der Cheopspyramide), Suchen, Räumen, Messen, Schreiben und Konservieren sowie das Plündern und Rauben, immer mit dem vermeintlichen Recht des Siegers. Der größere Teil der altertümlichen Sensationen im Britischen Museum ist schlichtweg geklaut und illegal außer Landes geschafft worden. Hier finden wir auch die Wurzeln der »Pyramidiotie«, die gerade jetzt ihre fröhliche Urständ in amerikanischen Filmen à la Hollywood feiert, die jede noch so unglaubliche Dummheit zu einem monströsen Spektakel aufblasen. Der erste Pyramidiot war der Schotte Piazza Smyth, jener Ahnherr von Nachahmer Legionen, der seine Karriere als Hofastronom 1845 im Alter von 26 Jahren begann.

Ihm half, nicht ganz uneigennützig, Sir John Herschel, der berühmte Astronomensohn des noch berühmteren deutschen Astronoms Friedrich Wilhelm Herschel, der 1781 den Uranus entdeckt hatte. Sir John war außerdem ein Pyramidennarr. Ihm wird die Leistung  zugeschrieben, als erster errechnet zu haben, wie alt die Pyramiden sein müßten, wenn man annimmt, daß sie im Jahre ihrer Erbauung exakt auf einen besonders hellen Stern ausgerichtet waren. Sein Alter von ca. 4800 Jahren traf die später angestellten Berechnungen erstaunlich gut. Für richtig hält man heute etwa 4500 Jahre, obwohl auch dies längst wieder in Frage gestellt wurde. Piazza Smyth verließ bei seinen Forschungen den engen Pfad der Wissenschaft, die sich nach Beweisen und nicht nach Wünschen orientieren muß.

Auf der Basis einiger Werke noch älterer »Forscher« und vieler eigenen »Berechnungen« schrieb er das Buch »Our Inheritance in the Great Pyramid«, das noch heute die Drehbuchautoren in Hollywood inspiriert. Seine zentrale These war simpel: In der komplizierten Geometrie der Cheopspyramide ist alles, aber auch restlos alles kodiert, wie z.B. der Börsencrash 1928, wie seine Nachfolger herausfanden. Diese Cheopspyramide (und seltsamerweise nur diese von den über 80 Pyramiden, darunter einige ältere und fast so große), mußte deshalb göttlichen Ursprungs sein und göttlichen Willen ausdrücken. Piazza Smyth war selbstverständlich von vorbildlicher Frömmigkeit. Aus den vielen Maßen, die sich überall in jeder Pyramide abgreifen lassen, dividierte Smyth nun als kleinsten gemeinsamen Teiler eine Maßeinheit heraus, der Pyramidenzoll, der damit automatisch auch den göttlichen Segen haben mußte.

Und, kaum zu glauben: der Pyramidenzoll war identisch zum damals gebräuchlichen englischen Zoll! Die göttliche Inspiration lag sichtbar über England. So ganz identisch war er übrigens nicht – etwa ein Promille länger. Aber natürlich berücksichtigte Smyth, ganz Wissenschaftler, auch die Meßfehler der frühen Pyramidenbauer… Einen Pyramidenzoll erhält man, indem man den Umfang der Cheopspyramide durch 364,2423 teilt, der Dauer eines Jahres in Tagen, und dann noch einmal durch 100. Der Bezug mag uns heute nicht so recht einleuchten, für Piazza Smyth und seine Zeitgenossen war dies jedoch die einzige –und dazu noch ziemlich mystisch klingende- Methode, die Identität mit dem englischen Zoll nachzuweisen Sir John Herschel, der aus persönlichen Gründen und mit großem Einfluß gegen
das metrische System kämpfte -er war Mitglied der »Standard Commission«-, erhielt jetzt eine ausgesprochen wirksame Schützenhilfe von seinem Schützling Smyth: Das englische Maßsystem, by God, kam direkt von Gott!

Das metrische System, das ja doch bloß von den gottlosen Franzosen stammte, durfte bei solcher Sachlage für England und seine Vasallenstaaten überhaupt nicht in Frage kommen! So unglaublich dieser Vorgang uns heute vorkommen mag – Piazza Smyth hatte sich tatsächlich auf einen Feldzug für die göttliche Abstammung des englischen Zollsystems begeben, der gewaltigen nationalen Wind entfachte und im Volk auf große Zustimmung stieß. Selbstverständlich wurde das metrische System mit überzeugender Mehrheit abgelehnt. Zur Ehrenrettung der englischen Wissenschaft soll hier nicht verschwiegen werden, daß man sich wenige Jahre später, 1869, dann doch für das  metrische System entschied… allerdings ohne es für den täglichen Gebrauch einzuführen.

Piazza Smyth legte man nahe, sowohl die »Standard Commission« als auch die »Ro-
yal Society« geräuschlos zu verlassen. Dennoch ignorierte die angelsächsische Welt, insbesondere und allen voran die USA, die Wissenschaft; man setzt bis heute auf das göttliche Pyramidenzoll, obwohl dasmetrische System 1995 auch dort eingeführt wurde. Die hunderte Maßsysteme allein im deutschsprachigen Raum bedeuteten für die Kaufmannschaft ein wirtschaftliches Desaster. Wer sich nicht mit den Feinheiten der Wechselkurse auskannte, war bald ruiniert. Hier ein etwas längerer Auszug aus der  Geschichte der Maßsysteme, die betrachten muß, wer die alte Technik verstehen will:

Von den Maßen und Gewichten

Den längsten Zeitraum in der geschriebenen Menschheitsgeschichte tat man sich schwer mit der Bestimmung der Maße und Gewichte. Zwar waren die Verhältnisse innerhalb eines Herrschaftsgebietes klar geregelt, doch traten wegen der kaum vergleichbaren Wertverhältnisse erhebliche Schwierigkeiten im Handel zwischen den Staaten und um so mehr im internationalen Handel auf. Diese lösten die Handels-
fahrer unter sich; der bessere Rechner mit dem kühleren Kopf machte den besten Schnitt.

Die Geschichte der Maße und Gewichte läßt eine mit der Kultur des Volkes zusammenhängende Entwicklung erkennen. In allen Anfängen genügten grobe Annahmen: für die Zeit die ungefähre Stellung der Sonne oder der Gestirne am Himmel, für die Strecke und den Raum Abmessungen, die durch menschliche Körperteile nahegelegt waren. Ein  Maßsystem ist um so besser, je vollständiger und einfacher der Zusammenhang aller Maße untereinander ist. Das chaldäische Reich Babylon hatte dies früh erkannt; aus ihm sind die Maßsysteme der alten Völker hervorgegangen. Die Chaldäer teilten Tag und Nacht in je 12 Stunden und nahmen zur  Zeitmessung als Stundenmaß die Menge Wasser, die aus einem eisernen Gefäß abfloß. Diese Wassermengen flossen nicht nur ab, sondern wurden durch Auswiegen miteinander verglichen. Daher ist das älteste uns bekannte Gewicht das  chaldäische Talent: es ist das Ge-
wicht einer bestimmten  Wassermenge, die aus einem besonderen Gefäß in bestimmter Zeit abfloß. Aus der Länge einer Kante dieses Gefäßes bestimmte sich das Längenmaß, aus dem die alte heilige Elle, die Elle des Nilmessers und der griechische und römische Fuß hervorgingen. Dieses babylonische Talent bildete gleichzeitig dieGrundlage für das Geld- und Münzsystem Immerhin 60,6 kg gingen auf das schwere Talent, halbiert wog das leichte 30,3 kg. Bei keinem anderen Volk fand sich vor 3500 Jahren ein so durchgebildetes Maßsystem wie bei den Chaldäern. Die Römer verzichteten auf das schwere Talent und wählten sich ein leichtes mit 26,295 kg. In der Hollywood-Verfilmung des »Ben Hur« setzt ein arabischer Scheich 10.000 Talente Gold auf den Sieg des Titelhelden beim  Wagenrennen. Der Verlierer der Wette war demnach 262 950 kg Gold schuldig, womöglich mehr, als der Antike zur Verfügung stand. Als von der Natur gegebene Maße wurden die Länge des Fußes, Armes, der Spanne, der ausgebreiteten Arme bis zu den Fingerspritzen (Klafter), des Maultier-haares, die Durchmesser von Früchten, die Breite der Hand, Finger, Gerstenkörner usw. angenommen, ungeachtet aller biologisch bedingten Abweichungen. Der Zoll, nach dem der Zollstock benannt ist, hat seinen Namen vom mittelhochdeutschen zol = Knöchel: ihm legte man die Daumenbreite zugrunde. Er ist ein 1/12 des Fußes (duodezimal geteilt) oder 1/10 bei dezimaler Teilung. Auch der Zoll wird in eine kleinere Dimension zerlegt, in die Linie. Die dezimale preußische Teilung gab dem Zoll 10 Linien (das sind 37,662 mm), die duodezimale in Hannover 12 Linien (das sind 24,35 mm). Die Kurzzeichen oder Symbole dieser drei wichtigen Kurzstrecken sind römische Zahlen: beim Fuß die I, beim Zoll die II und bei der Linie die III.

Bei den Gewichten weist das Gran oder Korn auf die Schwere von Getreide-körnern hin. Obwohl dieses Maßwesen viele Unsicherheiten in sich führte, gab es Jahrhunderte lang keinen Versuch, um wenigstens die Grundmaße auf eine sichere Basis zu bringen. Will man der Legende glauben, dann ersetzte König Heinrich I. von England 1101 die bis dahin übliche Elle, das Gyrd, durch die Länge seines Armes von der Nasenspitze bis zur Spitze des ausgestreckten Daumens. So soll der Yard entstanden sein, doch ist der tatsächliche Ursprung bis heute ungeklärt: immerhin gab es zu König Heinrichs Zeiten den Yard auch in Irland.

Ähnlich noch verfuhr König Ottokar II. von Böhmen (1253-78) mit dem deutschen Meßwesen: »Vier der Breite nach nebeneinander gelegte Gerstenkörner gelten gleich
einem Querfinger, 10 Querfinger gleich einer Spanne; ein Becher Weizen, so viel man mit beiden Händen fassen kann«! Der kluge Kaufmann wird mit großen Händen einkaufen und mit kleinen verkaufen!

So recht gelehrt will uns das heute nicht vorkommen, doch sollten wir mit unserem Urteil zurückhaltend sein: dies war eine Zeit, die nur durch Brieftauben, berittene Boten oder Boten zu Fuß kommunizierte, und in der auch der Adel überwiegend weder lesen noch schreiben konnte. An derart komplizierte mathematische Operationen wie
das Dividieren und das Multiplizieren war für das gemeine Volk überhaupt nicht zu
denken. Jede Arbeit mußte von Hand erledigt werden. Da tut man sich schwer, nach einem bestimmten Maßstab Gefäße und Längenmaße zu töpfern oder zu schnitzen.  Paucton und Bailly scheiterten an dem Versuch, aus den alten historischen Maßen eine Norm herzuleiten. Weidler schlug 1727 den Abstand der Pupillen beim erwachsenen Menschen als Normallänge vor -kaum klüger als der böhmische Querfinger!-, Andreas Böhm 1771 den Fallraum eines Körpers in der ersten Sekunde, John Herschel den zehnmillionsten Teil der polaren Erdachse. Den Vorschlag, die Länge des Sekundenpendels als Maßeinheit zu benutzen, machte zuerst der Abt Jean Picard 1668: ein Pendel, das eine halbe Periodendauer von einer Sekunde hatte (Sekundenpendel), besaß die Länge von 0,994 m. Die gleiche Ansicht vertrat Huygens 1672, der diese Länge noch an allen Orten für gleich hielt; erst Richer wies 1673 in Cayenne die verschiedenen Pendellängen an verschiedenen Orten der Erde nach. Bouguer wollte deshalb 1749 die Pendellänge unter dem 45. Breitengrad als Maßeinheit gelten lassen, Condamine die am Äquator.

Während die europäischen Länder sich in bis in die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts dem französischen metrischen System anschlossen, festigten die Briten ihr System von yard und inch nach dem Ausschlag des Sekundenpendels in London auf
Themsehöhe und fanden, daß ihr yard nur 0,9143999 m lang sei. Auf Themsehöhe funktionieren die Naturgesetze anders… meinten Spötter, aber vielleicht haben die englischen Wissenschaftler nur genauer messen können als 300 Jahre zuvor der Abt Picard. Heute gilt der Astronom Gabriel Mouton aus Lyon als der Begründer der Herleitung unseres Maßsystems von der Größe der Erde. Er  schlug 1670 die Länge des Meri-
dianbogens von einer Minute bei kugelförmiger Gestalt der Erde als Normaleinheit unter dem Namen Milliare vor. Im Frankreich um 1800 war das Durcheinander verschiedener lokaler Maßysteme so schlimm wie in Deutschland. Deshalb entschied sich eine von der Nationalversammlung eingesetzte Kommission, bestehend aus den Herren Borda, Lagrange, Laplace, Monge und Condorcet, für den zehnmillionsten Teil des Erdquadranten unter dem Namen mètre (Meter) als Maßeinheit. Sehr zum Ärger der Nationalversammlung, die sich für die Pendellänge ausgesprochen hatte. Zur praktischen Ermittlung dieses Meters begannen Mèchain und Delambre 1792 die Gradmessung von Dünkirchen nach Barcelona und ermittelten 9 2/3 Grad, Viot und Arago setzen die Messung fort bis zur Insel Formentera. Unter der Annahme einer  Polabplattung von 1/334 des Äquatordurchmessers ergab sich das Meter zu 443,295936 alten Pariser Linien und wurde durch Dekret vom 19. Frimaire VIII (das ist der 10. Dezember 1799) endgültig auf 443,296 Pariser Linien der Troise von Peru bei 13° R festgesetzt und eingeführt. Mit diesem Gesetz fiel die frühere Definition des Meters als des zehnmillionsten Teils des  Erdquadranten und als ein natürliches Maß fort. Das französische System setzte sich durch. 1803 schloß Italien sich an, 1821 Holland und Belgien, 1836 Griechenland, 1859 Spanien, und mit dem Gesetz vom 17. August 1868 galt es ab dem 1. Januar 1872 auch in Deutschland. Am 1. Januar 1876 folgte Österreich-Ungarn. 1864 erlaubten England und 1866 die USA die Anwendung des metrischen Systems zusätzlich zum eigenen Zollsystem. Nach dem Beschluß der internationalen Meterkonferenz wurden für die beteiligten Staaten Urmaßstäbe aus einer Legierung von Platin und Iridium im Verhälnis von 9:1
als Strichmaße hergestellt.  Urmaßstäbe sind entweder  Strichmaße oder Endmaße. Endmaße galten als anfällig, weil das Ansetzen der Meßwerkzeuge die Endflächen beschädigte. Das im Pariser Archiv aufbewahrte Urmeter, von Lenoir angefertigt, ist ein Endmaß aus Platin und soll bei 0° R seine richtige Länge haben. Seine Endflächen sind beschädigt. Nach dem Maßstab von Lenoir ließ sich 1863 die preußische Regierung ein Urmaß aus Platin anfertigen und gab dessen Länge mit 1,00000301 m
an. Die Maß- und Gewichtsordnung eines jeden Landes bestimmte, in welcher Weise die einzelnen Maßstäbe und Gewichtsstücke herzustellen waren, und da absolute Genauigkeit nicht zu erreichen war (und ist!), mußten Toleranzen festgesetzt werden: das erlaubte Maximum der Ungenauigkeit. Die Eichämter eichten diese Gegenstände und prüften, ob sie aus dem vorgeschriebenen Material, in der vorgeschriebenen Form und innerhalb der  Toleranzen hergestellt waren. Die damals eingeführten Maß bezeichnungen und Kurzzeichen sind noch heute allgemein verständlich, obwohl sich in einigen Fällen eine andere Schreibweise durchgesetzt hat: die Schreibweise qmm ist von mm2 abgelöst, der cbm von m3. Gerade die auf so viele  verschiedene Weisen ermittelten Gewichte fanden das brennende Interesse des Handels, denn die wohl meisten Gegenstände des Handels werden und wurden nach dem Gewicht verkauft. Für den Handel hatten sich  praktischerweise spezielle Vergleichstabellen entwickelt, und jeder Händler tat gut daran, stets eine Liste mit sich zu führen, die ihn vor Nachteilen schützte. Denn um 1840 machten 100 Pfund Leipziger Gewicht Amsterdamer Pfund 94,64 Augsburger schwere 95,2 Berliner 100,01 Braunschweiger 100,03 Bremer 93,73 dänische 93,62 Frankfurter leichte 99,91 Frankfurter schwere 92,51 französische Kilogrammes 46,74 Hamburger 96,52 Hannoversche 95,47 Londoner Trois 125,28 Londoner avoir du poids 103,08 Mailänder leichte 61,27 Mailänder schwere 142,96
Münchner 83,30 ersche 98,11
Nürnberger (alt) 91,60 russische 114,30 Turiner 126,68 Wiener 83,47 Württembergische 100,29 Wenig hilfreich war, daß einige Berufsstände eigene Gewichte entwickelten.

Im Handels- und Kramergewicht jener Zeit kamen 5 Stein auf den Centner, der Stein zu 22 Pfund. So erklärt sich in der  Schlußtabelle der Zentner zu 110 Pfund. Das Pfund wog 32 Loth, das Loth 4 Quentchen, das  Quentchen 4 Pfennig und der Pfennig 2 Hellergewichte.

Das Fleischergewicht wog etwas schwerer, denn schon 102 Pfund Fleischergewicht entsprachen 110 Pfund (1 Centner) Handelsgewicht. Einen Centner Handelsgewicht ergaben auch 114 Pfund Berggewicht oder 118 Pfund Stahl. Eine Waage Eisen hatte 44 Pfund, 1 Schiffspfund wog jedoch 3 Centner. Das Pfund Handelsgewicht hatte 9728,95 holländische As oder 8035,366 Kölner As; das römische As (Libra) aber wog 300 Gramm.

Das Apothekergewicht rechnete 24 Loth auf 1 Pfund, so daß aus 30 Pfund Apothekergewicht 23 Pfund Leipziger Handelsgewicht wurden. Das sind aber auch 12 Unzenzu je 8 Drachmen, und auf 1 Drachme gingen 3 Scrupel, der Scrupel zu 20 Gran. Da läßt sich leicht ausrechnen, daß 5760 Gran auf ein Pfund kommen… Gold, Silber und Edelsteine wollten es noch feiner haben. Gold und Silber berechnete man nach dem Kölner Markgewicht, dabei zählt 1 Mark genau 4 Unzen, die Unze aber 2 Loth, das Lot wieder zu 4 Quentchen, das Quentchen dann 4 Pfennige, der
Pfennig zu 2 Heller. Den Goldgehalt bestimmte man nach Mark, Karat und Gran, den Silbergehalt nach Mark, Loth und Gran. Hier rechnete man 1 Mark zu 16 Loth oder 24 Karat, das waren 288 Gran; daher gingen auf 1 Loth 1,5 Karat oder 6 Gran, auf 1 Gran aber 3 Grän.

Edelsteine und Perlen wog man nach Karat und Grän, so daß 1 Karat 4 Grän entsprach. Ganz klar, daß ungefähr 71 Karat auf 1 Loth kölnisch gingen. Das Karat (griech. »Johannisbrotkern«, Same des Johannisbrotes) gilt heute immer noch, ist inzwischen aber in das metrische System geführt: 1 k = 0,2 Gramm. In Deutschland arbeiteten die  Eichämter unter der Aufsicht der Normal-Eichungskommission in Berlin. Das Handelsgesetzbuch schrieb vor, daß in einem Vertrag die Maße oder Gewichte des Ortes gelten sollten, an dem der Vertrag erfüllt wurde. Da ließ man es auch nicht an einer Definition fehlen, was ein Gewicht denn überhaupt ist: »Das absolute Gewicht ist die Größe des Druckes oder Zuges, den ein Körper in der Richtung der Schwerkraft auf einen waagerecht ruhenden Punkt ausübt«. Mit der Waage wird also das unbekannte Gewicht mit dem eines bekannten verglichen. Das Ergebnis wird gewöhnlich als Gewicht des Körpers bezeichnet, doch eigentlich erfährt man das Verhältnis des unbekannten Gewichts zur Gewichtseinheit  an einem bestimmten Ort.

Denn da die Erdanziehung von Ort zu Ort verschieden ist, wiegt eine Masse entsprechend unterschiedlich. Wer mit einer Vergleichswaage Edelsteine am Äquator kauft und am Nordpol verkauft, erzielt einen höheren Gewinn -sofern die Reisekosten unberücksichtigt bleiben. Das bekannte Gewicht G als  Schwerkraft, die auf einen Körper wirkt, ist das Normalgewicht in den Einheiten Newton N, bis 31.12.1977 auch das Dyn (dyn). Das Newton war das Produkt der Masse mit der  Fallbeschleunigung 9,806665 m/s am Ort Paris. Daher: 1 N (Newton) entspricht 9,81 kgm/s2. Das Kilogramm (kg) ist die Basiseinheit für die Messung des Gewichts im Sinne von Masse: 1 kg = 1000 Gramm.

Wie das Urmeter gibt es auch das Urkilogramm, das den Eichgewichten aller Länder
als Maßstab dient. Das Urkilogramm entspricht der Masse von 1 L reinem Wasser bei 4° C. Ein Kreiszylinder, 39 mm hoch und mit einem Durchmesser von 39 mm, her-
gestellt aus einer Legierung von 90 % Platin und 10 % Iridium, verkörpert die Einheit kg. Exemplare des Prototyps sind im französischen Staatsarchiv und im Bureau des Longitudes aufbewahrt. Viel Humor zeigte die Darmstädter Behörde, die das deutsche Eichgewicht gleich
unter zwei Glaskuppeln  aufbewahrt, damit kein  Stäubchen sich daran  versündige. Zu ihr kam vor einigen Jahren ein Kaufmann mit der Bitte, seine Gewichtseinheit 1 kg genau zu prüfen, um einen Streit mit seinem Eichamt zu entscheiden. Sein Normgewicht wog 1,000523 kg.

Dieser Fehler sei durchaus vernachlässigbar, befanden die Prüfer, denn nach den alten Werten sei dies nicht mehr als das Drittel von einem Papierfitzelchen…

Das kg von 1884 galt bis zum Normenbeschluß von 1927 auch als Gewichtsangabe; Pedanten sagten zur Unterscheidung »Gewichtskilogramm«. Doch auch nach dem Ablauf der Übergangsfrist 1977 mag sich kaum jemand an die neue Dimension Newton gewöhnen, ist doch auch das Pfund, das 1884 ebenfalls abgeschafft wurde, von den Preistafeln nicht zu verdrängen. Zur Bestätigung meines Verdachts vom Beharrungsvermögen der Volksgewohnheiten machte ich auf dem Gemüsemarkt eine Probe und verlangte mit freundlicher Sachlichkeit: »1 Newton Tomaten, bitte!«, bis
man mich nach einigen irritierten Blicken derb aufforderte, meine »Sachen woanders einzukaufen«.

Unsere heutigen Kenntnisse über die frühen Maße und Gewichte stammen aus vielerlei Quellen. Archäologen haben einige sehr frühe Standards erforscht, die heute in Museen aufbewahrt werden. Der Vergleich zwischen den Abmessungen eines Gebäudes und Beschreibungen zeitgenössischer Autoren ergibt weitere Informationen. Ein interessantes Beispiel dafür ist der Vergleich der Abmessungen des griechischen Parthenon mit den Beschreibungen von Plutarch, aus dem man ziemlich genau die Länge des attischen Fußes erhält. In manchen Fällen haben wir auch nur plausible Theorien und müssen versuchen, die Daten richtig zu interpretieren. War es zum Beispiel nur Zufall, daß die Länge der babylonischen Doppel-Elle bis auf 2 Promille mit der Länge eines Sekundenpendels überein stimmt, oder weist dies bereits Kenntnisse vom Verhältnis eines Pendel zur Schwerkraft zu einem sehr frühen Zeitpunkt hin? Unsere heutigen Kenntnisse über die frühen Maße und Gewichte stammen aus vielerlei Quellen. Archäologen haben einige sehr frühe Standards erforscht, die heute in Museen aufbewahrt werden. Der Vergleich zwischen den Abmessungen eines Gebäudes und Beschreibungen zeitgenössischer Autoren ergibt weitere Informationen.

Einheiten für Zeit und Winkel

Die Einteilung des Kreises in 360 Grad und die Einteilung das Tages in Stunden zu je 60 Minuten mit je 60 Sekunden wird auf die Babylonier zurückgeführt, die das Sexagesimalsystem, d.h. ein Zahlensystem mit der Basis 60, verwendeten. Die 360 Grad könnten mit einem Jahr zu 360 Tagen zusammenhängen.

Der Ursprung des metrischen Systems

Der Begriff Meter wurde zum ersten Mal von Tito Livio Burattini im Jahre 1675 verwendet. Er bezeichnete die Länge eines Sekundenpendels als Metro Cattolico (katholischer Meter).

Die metrischen Einheiten haben sich seit ihrer Einführung 1799 von Frankreich aus über die ganze Welt verbreitet, zunächst in den nicht englischsprachigen Ländern, seit 1995 aber auch dort. Das erste metrische System war auf Zentimeter, Gramm und Sekunde aufgebaut (cgs-System, c für Centimeter), mit praktischen Auswirkungen auf Wissenschaft und Technik. Spätere metrische Systeme basierten auf Meter, Kilogramm und Sekunde (mks-System), um leichter handhabbar für praktische Anwendungen zu sein. Das gegenwärtige metrische System ist das Internationale Einheitensystem (SI). Es basiert ebenfalls auf Meter, Kilogramm und Sekunde und enthält weitere Grundeinheiten für Temperatur, elektrische Stromstärke, Lichtstärke und Stoffmenge.
Das metrische System war in Frankreich nur langsam angenommen worden, aber Wissenschaftler und Techniker hielten seine Einführung als internationales System für wünschenswert. Am 20. Mai 1875 unterzeichneten 17 Staaten einen internationalen Vertrag, die Meterkonvention. Überall entstanden Organisationen und Laboratorien, um ein einheitliches System zu schaffen, zu entwickeln und zu bewahren. Das metrische System ist einfacher als die alten Maßeinheiten, weil verschieden große Einheiten immer glatte Zehnerpotenzen von anderen Einheiten sind. Diese Beziehung zwischen den Einheiten führt im Dezimalsystem zu leichten Umrechnungen von einer Einheit zur anderen. Das führte zum heutigen Internationalen System der Einheiten. Noch zum Ende des 2. Weltkriegs gab es eine Reihe verschiedener Einheitensysteme in der Welt. Manche davon waren Varianten des metrischen Systems, andere basierten auf dem Inch/Pound-System der englischsprachigen Länder. Man erkannte, daß weitere Schritte nötig waren, um die Einrichtung eines weltweiten Maßsystems zu fördern.

Daher wurde 1948 eine internationale Studie in Auftrag gegeben, um herauszufinden, welche Bedürfnisse bezüglich Maßeinheiten in den Bereichen Wissenschaft, Technik und Bildung vorhanden waren. Aufgrund der Ergebnisse wurde 1954 entschieden, daß ein internationales System auf 6 Basiseinheiten aufbauen sollte: Meter, Kilogramm, Sekunde, Ampere, Kelvin und Candela.

1960 wurden die Einheiten dieses Systems nach der französischen Bezeichnung »Le Système International d‘Unités« SI-Einheiten genannt. 1971 kam als 7. Basiseinheit das Mol hinzu. Das SIinheitensystem ist heute in der ganzen Welt erlaubt oder vor-
geschrieben. 1799 war das Meter in Paris als der vierzigmillionste Teil des Erdumfanges oder als der zehnmillionste Teil eines Erdquadranten definiert worden, der dem kürzesten Bogen des Globus von einem Pol zum Äquator entspricht. In diesem Sinne wurde das Meter im Jahr 1875 durch die Internationale Meter-Convention gemäß einem rechtlich festgelegten Prototyp zum allgemeinen Längenmaß der Staaten der Welt erklärt. Aufgrund der Internationalen Meter-Convention wurde auf der ersten Generalkonferenz für Maße und Gewichte im Jahr 1889 die angegebene Länge auf einem vierkantigen Stab zwischen zwei Strichen bestimmt. Dieser Stab ist als Legierung von Platin und 10 % Iridium, bei der Temperatur des schmelzenden Eises bis zu einer Genauigkeit von 0,0001 und mit einer Schwankungsbreite von 0,01 Millimetern, zwischen markierten Punkten definiert. Gemäß dieser Definition wurde ein konkreter Platinstab als internationaler Prototyp für die nationalen Prototype des Meters in Paris verbindlich hinterlegt.

Mit dem Fortschritt der Technik, und dem zunehmenden Bedarf an beständiger Genauigkeit, erwies sich dieses Maß jedoch als unzureichend. Daher definierte man im Jahr 1960 das Meter genauer: als das »1.650.763,73fache der Wellenlänge der von Atomen des Nuklids 86Kr beim Übergang vom Zustand 5d5 zum Zustand 2p10
ausgesandten, sich im Vakuum ausbreitenden Strahlung«. Das kann sich jeder leicht merken…

Später erwies sich jedoch auch diese Definition als zu ungenau. Auf der 17. Generalkonferenz des Jahres 1983 definierte man daher das Meter als die Länge jenes Weges, den das Licht während einer Zeitspanne von einem 299.792,458 Millionstelteil einer Sekunde im luftleeren Raum zurücklegt. Die derart zwischen zwei festen Punkten als Meter noch genauer definierte kontinuierliche Strecke ist zur Zeit das völkerrechtliche und staatsrechtliche Grundmaß des Raumes. Ein Beschluß der 11. Generalkonferenz aus dem Jahr 1960 legte für alle standardisierten internationalen Maßeinheiten zur Bestimmung ihrer Vielfachen und ihrer Teile den Multiplikationsfaktor von zehn einheitlich fest. In diesem Sinn wurde auch das Meter gemäß dem Dezimalsystem nach Zahlen eingeteilt. Seither ist es gleich den anderen Maßeinheiten im Dezimalsystem nach Zahlen zählbar, vermehrbar und teilbar. In diesem Sinn bilden in der Einheit des Meters zehn Millimeter einen Zentimeter,

zehn Zentimeter einen Dezimeter, zehn Dezimeter einen Meter; 100 Meter bildeneinen Hektometer und 1000 Meter bilden einen Kilometer usw.

In diesem Sinne dient es zur:
1. Bestimmung der Länge einer Strecke in Laufmetern (m)
2. Bestimmung der Ausdehnung einer Fläche durch Länge x Breite
in Quadratmetern (m2)
3. Bestimmung des Volumens eines Körpers durch Länge x Breite x Höhe
in Kubikmetern (m3)

Die völkerrechtlichen Regelungen über das Meter und über den Multiplikationsfaktor zehn in Richtung plus und minus sind durch staatliche Maß- und Eichgesetze für den rechtsgeschäftlichen und für den amtlichen Verkehr innerstaatlich allgemein für verbindlich erklärt. Die  völkerrechtliche und die staatsrechtliche Verbindlichkeit desMetermaßes gibt den Messungen von Räumen und den  gemessenen Räumen einen gesetzlichen Charakter. Durch das gesetzliche Metermaß wurde der Raum zu einem exakt meßbaren rechtlichen Phänomen. Hier ist nicht der Platz, die alten Maße und Gewichte vollständig darzustellen. Allein Hessen besaß drei Maßsysteme, das kurhessische, das  herzogliche und das der Stadt Frankfurt. Mecklenburg kannte die Maßsysteme Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz, und selbst die Hansestädte Lübeck und Hamburg wogen mit unterschiedlichen Gewichten.

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